Veröffentlichungen

07.07.2015

Landgericht Berlin, Urteil vom 7. Juli 2015, Az. 15 S 9/14 bestätigt Rechtsauffassung der pixel.Law-Rechtsanwälte:

Nachweis der Urheberschaft durch Vorlage einer teilweise unveröffentlichten Bilderserie; die Nutzung von Bildern des Bildportales pixelio.de steht unter der aufschiebenden Bedingung der Urheberbenennung; der Anwendung der MFM-Empfehlungen für die Berechnung des Schadenersatzes steht es nicht entgegen, dass Nutzungsrechte für Bilder des Fotografen auf der Bildplattform pixelio.de kostenfrei erhältlich sind; eine Vielzahl von urheberrechtlichen Klagen, die sich auf Umstände des Einzelfalls stützen, stellen kein ausreichendes Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar;

(die Revision wurde nicht zugelassen)

Der Kläger im vorliegenden Fall ist als professioneller Fotograf tätig. Er hat mit der Klage gegen die als Unternehmen für Internetdienstleistungen tätige Beklagte Schadenersatzansprüche wegen urheberrechtsverletzender Verwendung seiner Fotos geltend gemacht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass keine Urheberbenennung während der Nutzung der streitgegenständlichen Bilder erfolgt ist.
Das Amtsgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 2.292,10 Euro, nebst Zinsen verurteilt. Mit der hiergegen von der Beklagten eingelegten Berufung strebte sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils vor dem Landgericht Berlin an.
Die Berufung begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, dass sie die streitgegenständlichen Fotos vom Bildportal pixelio.de bezogen habe; die Urheberschaft des Klägers nicht nachgewiesen sei, da er keine Originalbilddateien vorgelegt habe; darüber hinaus war die Beklagte der Auffassung, dass die MFM-Empfehlungen nicht als Berechnungsgrundlage des Schadenersatzes dienen könnten, da die Bilder kostenlos über das Bildportal pixelio.de erhältlich seien;

Das Landgericht Berlin hat die Berufung der Beklagten vollumfänglich zurückgewiesen.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

1. Nachweis der Urheberschaft durch Vorlage einer teilweise unveröffentlichten Bilderserie


„Kann ein Fotograf eine ganze Serie von zusammenhangenden Fotos vorlegen, spricht ein erster Anschein dafür, dass sämtliche Fotos dieser Fotoserie von ihm stammen (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 3.02.2009, 6 U 58/08, juris, Rn. 30; LG München I, Urteil vom 21.05.2008, 21 O 10753/07, juris; AG Düsseldorf 18.8.2009 – 57 C 14613/08, juris Rn 18). Handelt es sich um Digitalfotos, dürfte es nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht erforderlich sein, dass auch entsprechende Dateien vorgelegt werden. Vielmehr genügen zunächst Screenshots der Fotos. Damit bringt der Fotograf nicht zuletzt zum Ausdruck, im Falle eines substantiierten Bestreitens der Gegenseite den Computer oder ein ähnliches Speichermedium, auf dem sich die Fotos befinden, im Original vorlegen zu können.“

2. die Nutzung von Bildern des Bildportales pixelio.de steht unter der aufschiebenden Bedingung der Urheberbenennung

„Die Nutzung ist aber auch schon deshalb nicht von der Einwilligung des Klägers umfasst, weil diese unter der aufschiebenden Bedingung der Urheberbenennung erfolgte. Die AGB von www.pixelio.de enthalten nach dem Vortrag des Klägers bereits seit 2007 als Voraussetzung für die kostenfreie Nutzung der bezogenen Bilder einen Urheberrechtsnachweis.“

3. der Anwendung der MFM-Empfehlungen für die Berechnung des Schadenersatzes für Bilder von der Bildplattform pixelio.de

„Zur Höhe der gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Lizenzgebühr kann grundsätzlich auf die MFM-Empfehlungen zurückgegriffen werden (vgl. etwa OLG Hamm, Urteil vom 13. Februar 2014, 22 U 98/13, juris, Rn. 18; KG, Urteil vom 25. Februar 2013, 24 U 58/12, juris, Rn. 41). Diese gehen auf Befragungen von Bildagenturen, Fotografen und Bildjournalisten zurück, beruhen also auf den Erfahrungswerten professioneller Marktteilnehmer.“
„Der Anwendung der MFM-Empfehlungen steht auch nicht entgegen, dass, wie der Beklagte vorträgt, Nutzungsrechte für Lichtbilder des Beklagten auf der Plattform www.pixelio.de kostenfrei erhältlich sind. Zwar dürfen die MFM- Empfehlungen nicht schematisch angewandt werden, sondern es sind stets sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13. Februar 2014, a.a.O.; KG, Urteil vom 25. Februar 2013, a.a.O., Rn. 41; vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 2. September 2009, 5 U 8/08, juris, welches zwar grundsätzliche Bedenken gegenüber den MFM-Empfehlungen als einseitiger Vergütungsvorstellung eines Interessenverbandes äußert, diese jedoch dennoch als brauchbaren Überblick bzw. ein Kriterium für die gerichtliche Schadensschätzung erachtet) und ggf. prozentuale Abschläge vorzunehmen, insbesondere dahingehend, ob das konkrete Lichtbild insgesamt als professionelles Werk anzusehen ist bzw. tatsächlich am Markt entsprechende Preise erzielen könnte (OLG Hamm, Urteil vom 13. Februar 2014, a.a.O.). Die Umstände des Einzelfalls ergeben für die Anwendbarkeit der MFM-Empfehlungen vorliegend aber keine Einschränkungen. Denn der Kläger räumte zwar registrierten Nutzern von www.pixelio.de kostenfreie Nutzungsrechte ein, jedoch nur unter Bedingung der namentlichen Nennung des Urhebers. Erst aus letzterem entsteht für professionelle Fotografen im Zusammenspiel mit der Verbreitung ihrer Werke ein wirtschaftlicher Nutzen daran, Bilder auf solchen oder ähnlichen Seiten hochzuladen und zur kostenfreien Nutzung anzubieten. Diese Urheberbenennung hat der Beklagte aber gerade nicht vorgenommen. Auch sind die streitgegenständlichen Fotos nach ihrem Gesamteindruck als professionelle Werke einzuordnen.

4. eine Vielzahl von urheberrechtlichen Klagen, stellt keinen Rechtsmissbrauch dar

„Auch für die Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche gilt grundsätzlich das Verbot unzulässiger Rechtsausübung. Zwar ist auf den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch § 8 Abs. 4 UWG nicht entsprechend anwendbar, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012, I ZR 106/10, Rn. 14). Rechtsgrundlage ist insoweit allerdings § 242 BGB. Im Unterschied zu wettbewerblichen Ansprüchen, bei denen jeder Wettbewerber die im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtsverfolgung betreiben kann, ist jedoch zu beachten, dass urheberrechtliche Ansprüche nur vom Urheber oder dem Inhaber eines Nutzungsrechts geltend gemacht werden können und die Verfolgung urheberrechtlicher Ansprüche auch nur in deren Interesse – und nicht im Interesse der Allgemeinheit – erfolgt. Gleichwohl stellt sich eine Abmahnung auch im Urheberrecht als treuwidrig und damit unberechtigt dar, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Verletzer einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder den Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012, a.a.O., Rn. 21). Ein Missbrauch ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbstständigt und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Verstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011, I ZR 42/10, Rn. 13 – Falsche Suchrubrik; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2000, I ZR 237/98, juris, Rn. 24 – Vielfachabmahner).

„Nach diesen Grundsätzen lässt sich ein Rechtsmissbrauch hier nicht feststellen, insbesondere nicht deshalb, weil – wie der Beklagte vorträgt – der Kläger ein „bekannter Massenabmahner“ sei und „mindestens 500 Abmahnungen“ ausgesprochen habe. Eine Vielzahl von Klagen, die sich auf Umstände des Einzelfalls stützen, stellt kein ausreichendes Indiz für ein bloßes Gebührenerzielungsinteresse dar. Dem Kläger muss es vielmehr möglich sein, gegen verschiedene unberechtigte Verwendungen seines Lichtbildes auch jedes Mal vorzugehen. Der Kläger verfolgt zudem nicht lediglich Unterlassungsansprüche, sondern klagt auch den ihm entstandenen Lizenzschaden ein, sodass er ein weiteres Kostenrisiko eingeht, was gegen eine Verselbstständigung der Abmahntätigkeit durch die von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten spricht.

Für die Berechnung der Anwaltskosten ist, ausgehend von einem Wert von 6.000,00 € je Foto, für die berechtigte Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ein Gegenstandswert von bis zu 18.000,00 € zugrunde zu legen.

Das wichtigste Kriterium bei der Ermittlung des gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Werts ist der so genannte Angriffsfaktor, der den drohenden Verletzungsumfang, die Qualität und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung einschließlich Verschuldensgrad und späterem Verhalten, die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotential der Verletzung sowie die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung berücksichtigt; daneben können auch der Marktwert des Werkes, für welches Urheberrechtsschutz geltend gemacht wird, und ein möglicher Abschreckungseffekt wertbildend sein (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 22. August 2013, 6 W 31/13, juris, Rn. 17; KG, Beschluss vom 30. Dezember 2010, 24 W 100/10, juris).

Anhand dieser Kriterien ist von dem genannten Wert von 6.000,00 € pro Foto auszugehen (s. auch etwa Kammerurteil vom 1. Juli 2014 – 15 O 518/13). Die Lichtbilder wurden vom Beklagten gewerblich in markanter Weise zur Bewerbung seiner Dienstleistungsangebote eingesetzt; es besteht also eine beträchtliche Nachahmungsgefahr. Sie weisen zudem eine professionelle und anspruchsvolle Gestaltung auf und wurden nicht nur für einen kurzen Zeitraum, sondern immerhin über sieben Monate eingesetzt. Der Hinweis des Beklagten auf den Beschluss des OLG Hamm vom 13. September 2012 (I-22 W 58/12, juris), in welchem der Senat von einem Streitwert in Höhe von 900,00 € pro Foto ausgegangen war, verfängt hingegen nicht.
Dort war über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem die Fotos im Rahmen einer privaten eBay-Auktion verwendet wurden, was mit der hier vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar ist.

5. Gegenstandswert von 6.000,00 Euro je Foto für die berechtigte Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruches

„Für die Berechnung der Anwaltskosten ist, ausgehend von einem Wert von 6.000,00 € je Foto, für die berechtigte Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs ein Gegenstandswert von bis zu 18.000,00 € zugrunde zu legen.

Das wichtigste Kriterium bei der Ermittlung des gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Werts ist der so genannte Angriffsfaktor, der den drohenden Verletzungsumfang, die Qualität und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung einschließlich Verschuldensgrad und späterem Verhalten, die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotential der Verletzung sowie die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung berücksichtigt; daneben können auch der Marktwert des Werkes, für welches Urheberrechtsschutz geltend gemacht wird, und ein möglicher Abschreckungseffekt wertbildend sein (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 22. August 2013, 6 W 31/13, juris, Rn. 17; KG, Beschluss vom 30. Dezember 2010, 24 W 100/10, juris).“